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Eine kleine Geschichte von einem Pony, das zu seinem Menschen fand

Als Mutter von Kira und Anna, 12 und 14 Jahre alt, möchte ich euch von dem kleinen Charly erzählen - ein recht bockiges aber liebenswertes Pony mit 1,42 Meter Stockmaß, der sich stürmisch in das Herz meiner jüngeren Tochter geschlichen hat. Selbst bin ich aktive Reiterin und habe das Glück zu erleben, wie meine beiden Töchter die tägliche Arbeit mit ihren Lieblingen genießen.

Vor rund fünf Jahren wechselte ich mit meiner Stute Angelina nach Diedersen auf den Reiterhof Marten. Meine Kinder wollten endlich selbständig reiten lernen und nicht nur longieren. Bei Doris Marten bot sich diese Chance - beide erhielten Unterricht auf den Reitponys Adrian und Bonito. Schnell machten sie Fortschritte und merkten bald, dass ihnen ein Training zweimal pro Woche nicht ausreichte. Für Anna ergab sich schließlich die Gelegenheit, eine Reitbeteiligung auf dem alt-ehrwürdigen "Turnier-Opi" Erni zu ergattern. Bereits vielen seiner Reitern hatte er in der Vergangenheit seines langen Lebens so einige Pokale und Schleifen beschert. Annas jüngere Schwester hingegen wurde traurig, jedoch nicht mutlos: "Mama, es wird sich auch für mich noch ein Pony finden", sagte sie mir damals.

Eines Nachmittags kamen wir in den Stall, und da war ER!! Geführt von einer hochschwangeren Frau, nebst einem Mann mit einer älteren Ponydame am Strick. Die Besitzer, Svenja und ihr Mann, brachten die beiden gerade zum Päddock, da stürmte Kira zu mir: "Mama, Mama, hast du den gesehen? Den will ich reiten!" Und tatsächlich, einige Tage später sprach ich Svenja an, die in ihren Umständen hoch erfreut war, jemanden für die Pflege ihres Ponys zu finden.

Für Kira hingegen fing die große Herausforderung erst an. Das Pony hatte es faustdick hinter den Ohren und seine Eigenarten lassen sich leicht aufzählen: Er hasste es, longiert zu werden, er galoppierte ausschließlich rechts, ein Sperrriemen wird bekämpft, bis er abgenommen wird, gebockt wird ohne Vorwarnung - es war zum Verzweifeln...

Es dauerte ein gutes halbes Jahr, bis Kira, damals neun Jahre alt, alle Gangarten mit ihm beherrschte. Auch Reiterwettbewerbe waren von Erfolgen gekrönt. meistens sogar durch einen ersten oder zweiten Platz. Kira war glücklich, denn sie betreute von nun an ein Pflegepony für sich alleine.

2009 fand unser Hofturnier statt. Kiras Chancen beim Dressur- und Reiterwettbewerb standen gut, denn Doris Marten hatte ihr mittlerweile einen tollen Sitz beigebracht - der sportliche Ehrgeiz wuchs... Doch es sollte alles ganz anders kommen. Als wir Charly von seiner Mutter trennten, um ihn zum Hof zu führen, spielte er plötzlich verrückt: Lautes Wiehern, Bocken, Ziehen und Drehen waren die Folge. Seine große Aufregung versuchte ich ihm zunächst auszulongieren - jedoch ohne Erfolg. An Reiten war an diesem wichtigen Tag nicht zu denken. Und Kiras Vertrauen zu Charly war wie weggeblasen. Sie hatte Angst - verständlich.

Die folgenden Tage kam meine Tochter nicht mehr mit zum Stall. Doris Marten und ich suchten nach einer Lösung, denn auch sie wollte Kira weiter fördern. Zugleich ergab es sich, dass Anna die Gelegenheit einer Reitbeteiligung auf Kyiara, einer größeren Schimmelstute, erhielt. Kira konnte somit den Pony-Opi Erni, Annas vorheriges Pflegepferd, übernehmen. Sie kümmerte sich liebevoll um das betagte Tier und dankte ihm seine Gelassenheit. Gemeinsam sammelten die beiden noch einige Schleifen und Erfahrungen auf Turnieren.

 

Ein Neuanfang mit dem Zotteltier

Doch Erni ist alt und es kam die Zeit, dass dieser seinen wohlverdienten Ruhestand fern von Turnieren und Wettbewerb antreten sollte. Mittlerweile traf ich wieder einmal Svenja, die Besitzerin von Charly. Sie hatte inzwischen ihr zweites Kind bekommen - ans Reiten war für sie nicht zu denken. Wir unterhielten uns über Charly, der inzwischen über den Winter etwas mopsig und zottelig geworden war. Und dann ging alles recht schnell, Kira startete einen neuen Versuch mit ihrem "alten Bekannten". Ein paarmal Longieren, eine gründliche Putzaktion und schon war das Zotteltier für den Spaß mit Kira erneut hergerichtet.

Stolze Augenblicke nach selbst erarbeiteten Erfolgen

Und sie war nicht mehr zu halten. Fast täglich sitzt Kira seitdem auf "ihrem" Kerlchen und übt fleißig Lektionen. Trotz seiner inzwischen 14 Jahre kommt er noch heute auf wilde Ideen, die die Sattelfestigkeit stets aufs neue vor Herausforderungen stellt. Anders als damals fällt sie heute eher vor Kichern vom Sattel, wenn die Kunststücke auf seinem bequemen Rücken fehlschlagen. Nach getaner Arbeit wird "Charlchen" der mit Müsli gefüllte Eimer persönlich serviert und beide genießen die Momente.

Im vergangenen Jahr hat das Duo bereits in der E- Dressur mitgemischt - verbunden mit einem 3. Platz im E-Wettbewerb unseres Hofturnieres. Kira ist in solchen Augenblicken immer sehr stolz, denn den Erfolg hat sie sich ganz allein erarbeitet.

Viele schöne Ausritte haben wir diesen Sommer schon zu dritt erlebt, jeder von uns mit einem "gefundenen" Pferd. Denn auch Anna hat seit Frühjahr 2011 ihr eigenes Pferd, einen hübschen Trakehnerwallach, der sich ebenfalls stürmisch in ihr Herz geschlichen hat. Doch davon erzähle ich zu einem anderen Zeitpunkt..

Fotos der Bilderbox und Text: Stephanie Mundhenk

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